Jammern und Meckern gilt nicht

Wenn ich gefragt werde, wo ich herkomme, habe ich kein Problem mit Sachsen oder dem Erzgebirge. Nicht aus Nationalstolz oder Patriotismus, sondern weil das meine Heimat ist. Hier wohnen alle, die ich liebe und schätze, hier steht mein Elternhaus, hier will ich bleiben und leben und etwas bewegen. Seit Jahrhunderten ist es Tradition, dass Eigentum in der Familie weiter gegeben wird und dass man sich um seine Eltern kümmert, wenn diese das nicht mehr so gut können. Der einfachere Weg wäre wegzugehen wie so viele andere, weil mir die Rahmenbedingungen gerade nicht passen, davon ändern sie sich aber nicht.

Dass wir ein Problem mit Rechten haben, ist nicht neu, hat sich aber aufgrund der Krisen der letzten Jahre noch potenziert und inzwischen ist Sachsen ja leider Auffangbecken für Rechte, die anderswo nichts geworden sind. Das Wegschauen bei „solchen Leuten“ hat seine Wurzeln nicht nur in 40 Jahren Diktatur. Das Erzgebirge war schon immer eine der ärmsten Regionen, hat aber auch schon immer den Reichtum der „anderen“, der Obrigkeit, gesichert. Ich befasse mich gern mit unserer Geschichte und dem Leben früher, kann mich aber nicht erinnern, dass die Menschen hier jemals halbwegs sorgenfrei leben konnten von ihrer Hände Arbeit. Das macht was mit den Menschen und sie suchen sich Zuverdienste wo und wie auch immer. Und damit kann man die da oben dann auch noch ein wenig austricksen in bester Stülpner-Karl-Manier, perfekt. Das hat auch noch zu DDR-Zeiten gut funktioniert, mit Schwarzarbeit und Tauschgeschäften haben sich viele gut im System eingerichtet. Und Wegschauen war damals schon hilfreich, dann hatte man seine Ruhe.

Doch dann kam die Wende und alles war hinfällig. Unser Mut, unsere Entschlossenheit, dieser Diktatur ein Ende zu machen, wurden belohnt mit Arbeitslosigkeit, Existenzangst, Perspektivlosigkeit. In meiner Familie waren auf einen Schlag alle ohne Job wie die meisten anderen und wussten nicht, wie es weitergehen soll. Erst waren wir verlängerte Verkaufstheke des Westens, dann verlängerte Werkbank mit jahrelanger Niedriglohnpolitik – bis heute. Ich sehe das täglich bei meiner Arbeit, dem Erstellen von Steuererklärungen. Die Rentenbescheide für ein ganzes Arbeitsleben sind zum Teil erschreckend.

Die Menschen hier sind fleißig und sparsam und haben sich trotz aller Widrigkeiten „etwas geschaffen“ und nun kommen wieder „die da oben“ und wollen ihnen wieder alles wegnehmen. Wen interessieren da eigentlich die paar Rechten mit ihren Parolen und gelegentlichen Verfehlungen?! Die beeinträchtigen doch mein Leben nicht und Schlägereien im Suff hat es doch immer schon gegeben. Die sind doch nicht schuld an allem, was hier gerade schief läuft, das sind doch die Politiker!!!

Ohne Frage, diese Einstellung ist falsch und gefährlich und es braucht viel Engagement, um da etliches wieder gerade zu rücken, aber das muss man hier mit den Leuten vor Ort machen und die Menschen mitnehmen. Wenn diese Lücke nicht gefüllt wird, haben Rattenfänger wie die AfD leichtes Spiel. Die müssen nur Stammtischparolen nachbrüllen und schon fühlt sich jeder verstanden. Aber eine liberale oder gar grüne Einstellung muss man sich auch leisten können, das interessiert keinen, der mit seinem Mindestlohn grade so über die Runden kommt.

Da es in der DDR zwar viele Gastarbeiter und -studierende, aber nie eine richtige Willkommenskultur gab, denn Kontakte waren ja eigentlich unerwünscht wie auch das Erlernen von Fremdsprachen außer Russisch, konnte auch nichts von Generation zu Generation weiter gegeben werden. Um an diesen Defiziten nachhaltig etwas zu ändern, würden wir u.a. eine offene und engagierte junge Generation brauchen, aber die geht nun mal lieber in die großen Städte, wo es sich leichter lebt. Das ist nur eine andere Art von Wegschauen und löst keine Probleme.

Wenn sich in absehbarer Zeit etwas an dem braunen Sumpf ändern soll, brauchen die Menschen hier vor allem das Gefühl, ernst genommen zu werden mit ihren Sorgen und Nöten, geschätzt zu werden für ihre Leistung und ihren Lebenslauf, gebraucht zu werden für die Weiterentwicklung der Gesellschaft. Aber die entsprechenden Formate, in denen Ostdeutsche gleichberechtigt mitreden und mitentscheiden, müssen erst noch entwickelt werden. Allein die Tatsache, dass wir einen Ostbeauftragten haben, stigmatisiert in einer Weise, die keine sachliche Diskussion zulässt.

Und deshalb gerne her mit Ideen und Lösungen, wie wir das alle gemeinsam verbessern können: Nur jammern und meckern gilt nicht.

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